Dolmetschen begegnet Mediation

Sind Dolmetscher und Sprachmittler eins und dasselbe? Wann überschneiden sich die Rollen?

ÜBERSETZEN UND DOLMETSCHEN

Yasmina Gonzalez

10/27/20254 min lesen

Dolmetschen und Sprachmittlung einfach erklärt

Wenn die Grenze verschwimmt: Die Qual der Wahl

In der Verbindung liegt die Stärke: Wahre Beispiele aus der Praxis

Viele außerhalb der Berufsgruppe – wahrscheinlich die meisten – verwechseln ständig Begriffe wie Dolmetscher, Sprachmittler und Übersetzer. Ich nehme es ihnen nicht übel, es ist völlig verständlich. Vor allem, weil sich die Definitionen oft überschneiden und die Grenzen zwischen Funktionen, Arbeitsweisen und Einsatzbereichen unscharf werden.

Im heutigen Artikel gehen wir den wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschieden in Theorie und Praxis auf den Grund.

Die Differenzierung ist im Prinzip simpel. Sprachmittlung ist ein Oberbegriff für die Übertragung eines Textes von einer Sprache in eine andere (Reimann, 2014). Das heißt: „Sprachmittlung“ umfasst sämtliche Tätigkeiten von übersetzenden, dolmetschenden und sprachkundigen Personen.

Kurz gesagt:

  • Der Begriff „Sprachkundige“ bezeichnet alle, die über ausreichende mündliche und schriftliche Kenntnisse in einer Fremdsprache verfügen.

  • Übersetzen bedeutet die Übertragung schriftlicher Texte.

  • Dolmetschen bezeichnet die Übertragung mündlicher Texte.

Wo liegt also das Problem? Sprache entwickelt sich ständig weiter, und die Definitionen in Wörterbüchern stimmen oft nicht mit dem tatsächlichen Gebrauch überein.

Das Wort „Sprachmittler“ hat sich vor allem im Bereich des Gemeinwesens zu einer Kurzform von „Kultursprachmittler“ herausgebildet.

Während Dolmetscherinnen und Dolmetscher für die reine Übertragung des Gesprochenen ausgebildet sind und sich unter keinen Umständen aktiv ins Gespräch einmischen, werden von einem (Kultur-)Sprachmittler bei Bedarf Ergänzungen zu kulturellen, gesellschaftlichen oder sprachlichen Aspekten erwartet, um Missverständnisse zu vermeiden.

Für ausgebildete Dolmetscherinnen und Dolmetscher ist die Regel, sich nicht einzumischen, tief verankert. So haben wir es im Studium gelernt und im Berufsalltag konsequent eingeübt. Bei Konferenzen oder anderen Fachveranstaltungen stellt dies meistens keine besondere Herausforderung dar.

Doch in der Kita, beim Amt oder im Jobcenter – um nur einige Beispiele zu nennen – kann man leicht in eine Endlosschleife geraten, wenn bestimmte Informationen für die eine Seite selbstverständlich, für die andere jedoch völlig unbekannt sind.

Auch wenn man da theoretisch „nur“ als Dolmetscher beauftragt ist, stellt sich irgendwann die Frage: Soll ich mein eigenes Wissen einbringen, um das gegenseitige Verständnis zu fördern, oder mich strikt an die Regel halten? Und wenn man sich für Ersteres entscheidet, ist man dann weniger bzw. ein schlechterer Dolmetscher?

Auf die Frage, wann man die Grenze zwischen Dolmetschen und Sprachmittlung ohne schlechtes Gewissen überschreiten darf, gibt es keine eindeutige Antwort. Ich würde eher sagen: Eine erfahrene Fachkraft spürt das einfach.

So war es auch bei mir beim Termin im Sozialamt. Wegen einer verlängerten Krankmeldung musste die Krankenkasse in der Heimat meiner Klientin kontaktiert werden. Minutenlang wurde mit dem Namen der Versicherung in der Hand nach einer Telefonnummer oder einem anderen Kontaktweg gesucht. Alles umsonst. Beide, Klientin und Mitarbeiter, landeten immer wieder auf allgemeinen Webseiten des Gesundheitssystems, die keinerlei konkrete Informationen boten.

Irgendwann ging mir ein Licht auf, und ich fragte vorsichtig: „Darf ich etwas dazu sagen, das Ihnen vielleicht helfen könnte?“. Das Ergebnis: In der Heimat meiner Klientin gibt es ein ähnliches Gesundheitssystem wie in Spanien – dort existieren keine verschiedenen Krankenkassen, wie man das aus Deutschland kennt, sondern ein staatliches, öffentliches Gesundheitssystem mit regionalen Dienststellen.

Sofort reagierte die Klientin mit einem „Ach ja, klar!“. Für sie war das selbstverständlich; für den deutschen Mitarbeiter jedoch nicht. Das musste es auch nicht sein. Ohne meine „Einmischung“ hätten wir wahrscheinlich – zumindest in diesem Termin – keine Lösung gefunden. So konnte ich dazu beitragen, den Fall abzuschließen, sowie dem Mitarbeiter Arbeit und der Klientin Sorgen zu ersparen.

Allerdings sind nicht nur Einsätze im Sozialbereich davon betroffen, auch in Fachbesprechungen muss man manchmal vom Standardweg abweichen. So war es, als ich bei der Inbetriebnahme eines Fahrzeugs dolmetschen musste.

Während der Bremsprüfung forderte der deutsche Inspektor die Mitarbeitenden auf, „beide Hebel“ zu sperren. Genau so habe ich es ins Spanische übertragen, woraufhin die Techniker erst gegenseitig und dann mich fragend ansahen. „Welche Hebel?“, sollte ich auf Deutsch fragen. Die Antwort lautete nur: „Na ja, die beiden.“

Ebenso verwirrt – und kurz verunsichert über meine eigenen Kompetenzen – trat ich einen Schritt aus meiner Dolmetscherrolle heraus und fragte nach dem Protokoll, in dem die Prozeduren beschrieben waren. Dabei stellte sich heraus, dass das deutsche Team umgangssprachliche Alternativen für Fachbegriffe benutzte, die im Spanischen überhaupt nicht gebräuchlich sind.

Mein Grenzüberschreiten führte also nicht nur dazu, dass die Prüfung reibungslos durchgeführt werden konnte, sondern auch dazu, dass meine spanischen Klienten nun wissen, was bei ähnlichen Gelegenheiten mit dem Wort „Hebel“ gemeint ist.

Zurück zur Frage: Wann sollte man also die Grenze zwischen Dolmetschen und Sprachmittlung überschreiten?

Eine genaue Antwort gibt es nach wie vor nicht. Aber: Wenn man das Gefühl hat, nur noch Zuschauer eines endlosen Tennisspiels zu sein, bei dem beide Teams hilflos den Ball hin- und herwerfen, ist es meistens so weit.

Am Ende sind wir aus einem bestimmten Grund da. Und jeder Schritt, der den Weg dahin erleichtert, wird von allen Seiten dankbar angenommen.

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